Weniger medizinische Hilfe für Organspenderinnen und Organspender? Was passiert im Ernstfall?

Organe spenden und Leben retten, wenn man selbst bereits verstorben ist – diese Idee steht hinter einer Organspende. Doch einige Menschen haben Bedenken. Sie fürchten eine schlechtere medizinische Versorgung im Krankenhaus, wenn sie im Organspendeausweis „Ja“ angekreuzt haben. Der Gedanke: Den Ärztinnen und Ärzten sind die Organe wichtiger als das Leben der Patientin oder des Patienten. Der Realität entspricht dieser Sorge jedoch nicht. Im Krankenhaus gilt: Es wird alles getan, um das Leben der erkrankten Person zu retten. Ob die Person potenziell Organe oder Gewebe spenden möchte, ist hier nicht von Bedeutung. Die Frage nach einer Organspende kommt erst dann auf, wenn der unumkehrbare Ausfall der gesamten Hirnfunktionen (Hirntod) eingetreten ist oder wahrscheinlich bevorsteht.
Kurz gefasst
  • Patienten, die „Ja“ zur Organspende sagen, erhalten exakt dieselbe Behandlung im Krankenhaus wie Patienten, die sich dagegen entscheiden oder keine Erklärung zur Organspende abgegeben haben.
  • Ob und welche Entscheidung ein Mensch zur Organ- und Gewebespende getroffen hat, darf erst ermittelt werden, wenn der Hirntod festgestellt wurde oder dieser vermutlich bevorsteht.
  • In Deutschland gilt bei der Organ- und Gewebespende die „Entscheidungslösung“.
  • Eine Organspende wider Willen ist nicht möglich: Liegt eine Entscheidung für oder gegen die Organ- und Gewebespende vor, ist diese zwingend zu befolgen.
  • Nur dann, wenn der Wille der oder des Verstorbenen nicht eindeutig festgehalten oder den Angehörigen bekannt ist, entscheiden diese nach dem mutmaßlichen Willen der verstorbenen Person.
  • Nur Verstorbene können postmortal Organe spenden.
Zu sehen ist ein leerer Krankenhausflur.

Unbegründete Angst vor der Organspende

Eine potenzielle Organspende geht oft mit existenziellen Ängsten einher. Personen, die bislang noch keine persönliche Entscheidung für oder gegen die Organ- und Gewebespende getroffen haben, haben häufig Bedenken und Sorgen. Wird eine potenzielle Organspenderin oder ein potenzieller Organspender medizinisch anders, gar schlechter, behandelt? Sie fürchten, dass eher ihre Organe am Leben erhalten werden als sie selbst, um Menschen auf der Warteliste für Spenderorgane zu retten.

Diese Angst ist aus verschiedenen Gründen völlig unbegründet. Kein Leben zählt mehr als ein anderes. Ärztinnen und Ärzte werden alles tun, um das Leben ihrer Patientin oder ihres Patienten zu retten. Die Frage nach einer Organspende stellt sich dem ärztlichen Personal zu diesem Zeitpunkt auch noch gar nicht. Ob ein Mensch sich für die Organspende entschieden hat oder dagegen, wird erst überprüft, wenn der Hirntod eingetreten ist oder dieser Zustand kurz bevorsteht. Solche Menschen liegen auf einer Intensivstation eines Krankenhauses und sind meist schon länger in einem kritischen Zustand. Ärztinnen und Ärztin betreuen sie eng und beobachten den Krankheitsverlauf mit all seinen Verbesserungen oder eben Verschlechterungen – bis hin zur Vermutung eines vorliegenden Hirntods.

Was bedeutet überhaupt „hirntot“?

Für eine postmortale Organspende, also einer Spende nach dem Tod, muss zwingend vorher der Tod des Menschen nachgewiesen werden. Dieser wird über den Hirntod festgestellt. Der Hirntod beschreibt den vollständigen Ausfall der gesamten Hirnfunktionen und die Unumkehrbarkeit dieses Zustands. Liegt der Hirntod vor, so bricht das Herz-Kreislauf-System ohne künstliche, intensivmedizinische Maßnahmen unweigerlich zusammen. Das heißt: Ohne Maschinen würde die Atmung der verstorbenen Person stoppen, das Herz aufhören zu schlagen und sämtliche Körperfunktionen ausfallen.

Der Hirntod muss von zwei unabhängigen und dafür qualifizierten Fachärztinnen oder -ärzten klar festgestellt werden. Wie genau sie dabei vorgehen, ist in einer Richtlinie der Bundesärztekammer ganz genau vorgeschrieben.

Gut zu wissen

Liegt der begründete Verdacht vor, dass bei einer Person die gesamten Hirnfunktionen ausgefallen sind, wird die Hirntoddiagnostikeingeleitet. Sie umfasst ein mehrschrittiges Vorgehen, das die Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms untersucht.

Atmung und Herzschlag: Ist die Organspenderin oder der Organspender wirklich tot?

Liegt eine Person, bei der der Hirntod festgestellt wurde, in einem Intensivbett, so entspricht ihr Anblick mitunter gar nicht unseren Vorstellungen vom Tod. Die Person ist rosig, warm und durchblutet, angetrieben durch das Beatmungsgerät hebt und senkt sich der Brustkorb und das Herz schlägt. Die verstorbene Person sieht aus, als ob sie jeden Moment die Augen aufschlagen könnte. Trotzdem sollen Organe entnommen werden?

Trotz des äußerlichen Eindrucks: Die Person ist tot. Das Gehirn, das zentrale Organ des Menschen, das sämtliche lebenserhaltenden Körperfunktionen steuert, ist unwiederbringlich zerstört. Ohne externe Maschinen würden alle Organe ausfallen und auch die Atmung enden. Nach einiger Zeit würden weitere sichere Todeszeichen sichtbar werden, wie Leichenflecken und Leichenstarre.

In der Mitte dieses schwarz-weiß Bildes befindet sich eine Tür. Sie ist einen Spalt geöffnet, wodurch Lichtstrahlen in den davor befindlichen dunklen Raum fallen.

Ist eine Organspende ohne Zustimmung möglich?

Hier ist die Antwort ganz klar: Nein. Neben der Feststellung des Tods, ist die wichtigste Voraussetzung für eine postmortale Organspende die Zustimmung. In Deutschland gilt diesbezüglich die Entscheidungslösung. Diese besagt, dass eine Organspende nur mit Zustimmung möglich ist. Liegt keine Entscheidung der oder des Verstorbenen vor, so entscheiden die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen der verstorbenen Person.

Um die Angehörigen in solch einer schwierigen Situation nicht noch mehr zu belasten, ist es wichtig, die eigene Entscheidung für oder gegen eine Organspende möglichst frühzeitig zu treffen und am besten schriftlich festzuhalten. Ob auf einem Organspendeausweis, in einer Patientenverfügung oder als mündliche Aussage gegenüber näheren Angehörigen: Jede Variante zählt.

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